Historisches Schwafheim

– Von Suafhem nach Schwafheim –

Fragt man einen der vielen Schwafheimer Neubürger, was er sich unter dem Namen Schwafheim vorstellt, erfolgt meist nur ein Achselzucken. „Könnte es was mit Schafen zu tun haben? Hier war doch viel Sand und Heideboden…?“ Auch Alteingesessene, tippen oft in diese Richtung. Können sie noch platt, fügen sie schon mal hinzu: „Joo, joo, dat aale Schwoffhem!“

Schwafheim im Jahr 1591

Schwafheim im Jahr 1591

Die Endsilbe „heim“ bedeutet Herdstelle, Haus, Heim, Siedlung und stammt aus dem Gotischen („haims“) oder Sächsischen („hem“). Nach der Namens-forschung steht fest, daß es sich bei Ortsnamen mit der Endsilbe „heim“ (z.B. Friemersheim, Bergheim, Bliersheim, Binsheim, auch Oestrum (Ostarheim als das von der Römerstraße nach Osten zu gelegene „heim“) um Ansiedlungen handelt, die schon vor über 1000 Jahren entstanden sind, also im fränkischen Reich Karls des Großen im 8./9. Jahrhundert n. Chr.

Das ist für Schwafheim eindeutig belegt. In dem Güter- und Abgabenverzeichnis des Klosters Werden (der sog. „Urbare“) sind schon im 9. Jahrhundert Schenkungen und Abgaben von Schwafheimern an das Kloster Werden notiert. Viele Herrensitze und Höfe unseres Raumes gehörten zum Kloster oder waren ihm abgabepflichtig. In dieser „Urbare“ wird Schwafheim als Suafhem, Suefhem oder auch Svafhem bezeichnet. Das.. v“ ist dadurch entstanden, daß „u“ und ,,v“ in der lateinischen Schrift gleich geschrieben wurden.

Was aber bedeutet die Erstsilbe „Schwaf“ (Suaf, Suef, Sueb, Suab in den alten Quellen)? Noch etwas ungläubig müssen wir feststellen, daß die rheinische Namenforschung die Erstsilbe „Schwaf“ von einem Personennamen ableitet, nämlich von Suab oder Sueb = Schwabe. Schwafheim bedeutet daher in der Verbindung beider Silben nichts anderes als „Haus der Schwaben“ oder „Siedlung der Schwaben“. Was aber haben wir Niederrheiner mit Schwaben zu tun? Hier hilft nur ein Blick noch weiter in die Geschichte zurück!

Unser Heimatraum ist ein sehr alter Siedlungsraum. Wegen seines verkehrsgünstigen und hochwasserfreien Lage bot sich Schwafheim schon in frühgeschichtlicher Zeit für eine Besiedlung geradezu an. Noch bis vor etwa 150 Jahren hatte der Rhein kein festes Bett. Er wechselte im Winterhalbjahr häufig hinüber in alte Läufe, die man als Auen gut in der niederrheinischen Landschaft erkennen kann. Fährt man von Schwafheim in Richtung Kapellen, überquert man zwei große Auengebiete, alte Rheinläufe. Die erste Aue wird durch die Linie Bergheimer Kennath, Trompeter Cölvengraben, Schwafheimer Kendel, Schwafheimer Meer und Bettenkamper Meer markiert. Die zweite Aue findet sich jenseits des Waldborns und des Rumelner Mühlenwinkels beim großen Aubruchsgraben vor dem Lauersforter Wald (Lauersfort = Furt am Eichenwald).

Hart westlich und südlich von Schwafheim floss also der Rhein oder ein Hochwasserrheinarm vorbei, wie auch östlich im großen Oestrumer oder Essenberger Bruch. Im Jahre 1980 fand man im damals fast trockenen Schwafheimer Meer einen gut 3 Meter langen Einbaum aus fränkischer Zeit (7./8. Jahrhundert n. Chr.), der belegt, daß der Rhein für die Germanen kein Hindernis, sondern ein Verkehrsraum war.

Zwischen den Rheinläufen oder Auen lagen meist hochwasserfreie und fruchtbare Niederterrassen (in Schwafheim z.B. das Niederfeld), die eine Besiedlung am Rande der Auen als Einzelhöfe (in Schwafheim z.B. die Trompeter oder Vinner Einzelhöfe) oder auf Niederterrassen-buckeln (Dorf) möglich machten.

In Schwafheim waren die Besiedlungsmöglichkeiten besonders günstig, weil die Niederterrasse im Gebiet zwischen dem „Schwarzen Adler“ im Süden und der „Mathek“ im Norden einen Buckel bildet, auf dem sich auch noch Dünen von Rhein-Maas-Sanden abgelagert hatten (Beispiel: Heiliger Berg = frühere Wanderdüne beim heutigen Restaurant Seerose).

So stießen die Römer bei ihrem Vormarsch entlang des Rheines nach Norden im 1. Jahrhundert v. Chr. hier am Niederrhein keineswegs in ein leer liegendes, sondern in ein relativ dicht besiedeltes Gebiet. Auf beiden Seiten des Rheines siedelten germanische Stämme. Im Schwafheimer Raum waren es nach Norden zu die Cugerner (Hauptort Xanten), nach Süden zu (Hauptort Köln) die Ubier.

In den fast 500 Jahren römischer Herrschaft am Rhein (von etwa 50 v. Chr. bis etwa 45o n. Chr. sind viele germanische Stämme hier sesshaft geblieben, andere teils von den Römern, teils von der beginnenden Völkerwanderung umgesiedelt oder weitergedrängt worden.

Zur Befestigung ihrer Grenzen bauten die Römer feste Straßen, Kastelle und Legionslager. Von Trompet aus bis nach Asberg verläuft heute noch an der Schwafheimer Grenze entlang die Römerstraße, noch lange nach den Römern im Volksmund die „Hooge Straat“ (hochgelegene Straße) genannt.

Größere Teile des Römerkastells „Asciburgium“ lagen auch auf Schwafheimer Gebiet, wie die Ausgrabungen des römischen Friedhofs und Kinderfriedhofs im Ostteil des Länglingswegs in Schwafheim seit 1998 zeigen.

Das nahe Römerkastell in Asberg am damaligen hohen Rheinufer des Essenberger Bruchs lag der Ruhrmündung gegenüber und sollte an dieser strategisch wichtigen Stelle Übergriffe der rechtsrheinischen Germanenstämme unterbinden. Die eben erwähnten germanischen Ubier (Köln) hatten zunächst auch rechtsrheinisch gesiedelt, so z.B. im Raum von Duisburg und der Ruhrmündung. Dort waren sie aber von einem mächtigeren germanischen Volksverband verdrängt worden, den sogenannten „Elbgermanen“ oder SUEBEN, die ursprünglich in Schleswig-Holstein und den Elbgebieten Brandenburgs und Niedersachsens ansässig waren, bevor sie an den Rhein kamen und später weiter nach Süddeutschland (Schwabenland) zogen. Teile von ihnen sind im Zuge der Völkerwanderung sogar bis nach Spanien gezogen.

Schon zu Caesars Zeiten (100 bis 44 v. Chr.) waren diese Sueben rechtsrheinisch sesshaft geworden. Die Römer hinderten sie am überschreiten des Rheins. Und nun wären wir bei den „Schwaben“. Wie mögen sie dennoch über den Rhein gekommen sein? Hier kann man nur vermuten! Ob es Gefangene, Söldner, Händler, Handwerker oder auch Bauern im Dienst der Römer bei der Versorgung ihrer Lager und Kastelle waren, die sich aus dem Stamm der Sueben linksrheinisch in Schwafheim ansiedelten oder angesiedelt wurden, wissen wir nicht.

Man darf sich aber den Kontakt zwischen den Römern und den hier siedelnden Germanen nicht nur kriegerisch vorstellen. Die Römer waren in wirtschaftlicher, kultureller und religiöser Hinsicht gegenüber den Völkern, die sie beherrschten, sehr tolerant. Viele Germanen dienten unter ihnen oder lernten bei ihnen (wie Z.B. Arminius = Hermann der Cherusker, der sie später 9 n. Chr. besiegte und ihr weiteres Vordringen nach Innergermanien verhinderte).

So muss es nicht verwundern, dass suebische Stammesangehörige hier im Schwafheimer Gebiet ansässig wurden und blieben, wenngleich ihr Volksverband offiziell linksrheinisch überhaupt nicht gesiedelt hat. Die Schwafheimer „Schwaben“ müssen schon damals ein „eigenes Völkchen“ gewesen sein!

Schon vor dem Zusammenbruch des römischen Reiches hier am Niederrhein hatten sich die vielen germanischen Stämme im unteren Rheingebiet zum „Bund der Franken“ (Freien) zusammengeschlossen (häufig auch „Rheinfranken“ genannt). Die meisten Namengebungen der Orte des hiesigen Niederrheins gehen auf die Franken zurück, die meist Flur-und Lagebezeichnungen wählten.

Der Name Schwafheim stellt hier eine große Ausnahme dar, weil er eindeutig auf den Namen der germanischen Sueben zurückzuführen ist. Mehr als ein Jahrtausend lang hat sich der Ortsname Schwafheim als konstant erwiesen. Schon 1591 auf der berühmten Mercatorkarte der Grafschaft Moers hat sich der Ortsname als „Swaefheim“ stabilisiert. Die Sueben müssen hier einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben, sonst wären ihr, Name und der Ortsname Schwafheim wohl untergegangen. Es ist nicht von der Hand zu weisen:

„Die Schwafheimer sind (historisch) schon ein ganz eigenes Völkchen!“

Quelle: Heinz Seemann